Alpha-Liponsäure Vitaminoid

Physiologische Bedeutung der Alpha-Liponsäure

Alpha-Liponsäure, auch Thioctsäure genannt, ist eine körpereigene Verbindung, die in zwei Formen vorliegen kann: als Liponsäure, einem cyclischen Disulfid oder als Dihydroliponsäure, in einer reduzierten offenkettigen Form. Durch Redoxreaktionen gehen beide Formen ineinander über. Gewebe mit hoher Mitochondriendichte und intensivem Energiestoffwechsel wie das Herz oder die Leber weisen besonders hohe Konzentrationen an a-Liponsäure auf. Als Coenzym mitochon­drialer Multienzymkomplexe ist Alpha-Liponsäure an den folgenden Stoffwechselprozessen beteiligt: Umwandlung von Pyruvat zu Acetyl-CoA (Glykolyse/Pyruvat-Dehydrogenase), Synthese von Succinyl-CoA aus a-Ketoglutarat (Citratzyklus/a-Ketoglutarat-Dehydrogenase) und dem Abbau von Glycin und der verzweigtkettigen Aminosäuren (Dehydrierende Decarboxylierung). Alpah-Liponsäure ist damit neben Vitamin Bj und Niacin für den Fett-, Kohlenhydrat- und Energiestoffwechsel (ATP-Produktion) von elementarer Bedeutung.

Im Vergleich zu anderen Antioxidanzien, die ihr antioxidatives Schutzpotential nur im hydrophilen oder lipophilen Kompartiment ausüben, fungiert das Redoxsystem Alpha-Liponsäure/Dihydroliponsäure auf beiden Kompartimentebenen als Scavenger und weist daher auch ein breiteres Wirkspektrum auf. Alpha-Liponsäure schützt zusammen mit anderen endogenen Antioxidanzien (z. B. GSH-Px, SOD) Proteine, Lipide und die DNA vor der oxidativen Zerstörung durch freie Radikale und ROS. Prooxidativ wirkenden Metallionen werden von Alpha-Liponsäure komplexiert und die Reparatur oxidativ geschädigter Proteine gefordert. Alpha-Liponsäure regeneriert zusätzlich die Vitamin E und C sowie Coenzym Q10 und L-Glutathion. Die zelluläre Aufnahme von Cystein und damit die intrazelluläre GSH-Repletion wird durch Alpha-Liponsäure gesteigert. Über die enge Verknüpfung zum GSH/GSSG- und Thioredoxin-System ist Alpha-Liponsäure auch für den Erhalt der Immunkompetenz von Bedeutung. Alpha-Liponsäure hemmt die durch inflammatorisch wirkende Zytokine (z.B. TNFa) ausgelöste Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-kB und greift damit regulierend in den Enzündungsprozess ein.

Aufgrund seiner guten chelatisierenden Eigenschaften wird Alpha-Liponsäure auch bei Schwermetallvergiftungen eingesetzt. Insbesondere bei der Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson steigert Alpha-Liponsäure die Kupferausscheidung. Bei Leberfunktionsstörungen unterschiedlichster Genese normalisiert Alpha-Liponsäure pathologisch erhöhte Leberfunktionswerte (z.B. Bilirubin-, GOT-, y-GT-Werte) und verbessert die hepatozelluläre Entgiftung (GSH-Repletion).

Alpha-Liponsäure-Bedarf

Da a-Liponsäure vom Organismus selber gebildet werden kann, wird von den Ernährungsgesellschaften keine tägliche Zufuhrempfehlung angegeben.

Natürliches Vorkommen

a-Liponsäure ist vor allem in tierischen Nahrungsmitteln wie Herz und Leber enthalten. In pflanzlichen Nahrungsmitteln ist der Gehalt nur gering.

Kohlenhydratstoffwechselstörungen (z. B. Diabetes mellitus), Radikal-assoziierte Er­krankungen (z.B. AIDS/HIV, Alzheimer, Diabetes, Krebs)

Mögliche Folgen

Diabetische Stoffwechsellage: Neuro-, Nephropathien, autonome und periphere Polyneuropathien, oxidative Zellschäden, Proteinglykosilierung (HbAlc).

Anwendungsgebiete AIDS

In einer von Fuchs und Mitarbeitern an HIV positiven Patienten durchgeführten Pilot-Stu­die führte die 3 X tägliche Gabe von 150 mg a-Liponsäure zu einem signifikanten Anstieg der T-Helferzellen-Anzahl, Verbesse­rung des T-Helfer-/T-Suppressorzell-Verhältnis sowie zur Erhöhung der Plasmaascorbat- und Glutathionspiegel (3). Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass a-Liponsäure sogar die HIV-Replikation unterdrückt.

Demenz vom Alzheimer Typ (DAT)

Bei einer Patientin mit eindeutig diagnostizierter beginnender DAT, die aufgrund einer diabetischen Neuropathie jahrelang mit a-Liponsäure behandelt wurde, blieben die kognitiven Leistungen über 3 Jahre stabil. Auch im Hirn-SPECT ließ sich keine Progredienz nachweisen. Durch diese Beobachtung ermutigt, wurden 10 weitere Patienten mit leichter bis mittelschwerer Demenz in einer Anwendungsbeobachtung zusätzlich zur Standardtherapie mit Cholinesterase-Hem-mern mit 600 mg Alpha-Liponsäure/Tag behandelt.

Ergebnis: Nach einer Beobachtungszeit von bis zu 408 Tagen waren bei allen 10 Patienten die kognitiven und funktionellen Leistungen gleich geblieben oder hatten sich sogar verbessert. Advanced Glycation End Products (AGE), die bei der irreversiblen Glykosilierung von Proteinen entstehen, spielen eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie der DAT. Histochemische Untersuchungen haben gezeigt, dass in den senilen Plaques und neurofibrillären Knäueln bei Alzheimer-Patienten hohen AGE-Konzentrationen nachweisbar sind. Möglicherweise verbessert Alpha-Liponsäure bei DAT-Patienten den gestörten zerebralen Energiestoffwechsel und beugt als natürlicher AGE-Inhibitor der oxidativen Schädigung von ZNS-Proteinen vor.

Diabetes mellitus

Das Schicksal und die Prognose des Diabeti­kers wird maßgeblich von diabetischen Mikro- und Makroangiopathien bestimmt. Die frühzeitige Substitution antioxidativ wirksamer und den Kohlenhydratstoffwechsel regulierender Mikronährstoffe wie Alpha-Liponsäure hat daher in Prävention und Therapie diabetischer Folgekomplikationen einen hohen therapeutischen Stellenwert. Alpha-Liponsäure steigert die Glucoseaufnahme und -oxidation peripherer Gewebe, erhöht die Glykogensynthese und verringert die Pyruvat- und Lactatspiegel. Die Proteinglycosilierung (HbAlc) sowie die oxidative Belastung unter diabetischer Stoffwechsellage wird durch Alpha-Liponsäure signifikant reduziert. Studien an Patienten mit Polyneuropathien bestätigen, daß es nach Alpha-Liponsäure-Gabe zu einer signifikanten Verbesserung der neuropathischen Symptome (Schmerzen, Brennen, Parästhesien), der sensorischen und motorischen Nervenleitgeschwindigkeit sowie der sensorischen Aktionspotentiale kommt. Auch die kardiale autonome Neuropathie („stumme" Myokardischämie), eine unter Diabetikern weitverbreitete und gefürchtete Erkrankung, kann durch Alpha-Liponsäure, nachweisbar in einem Anstieg der Herzfrequenzvariabilität, verbessert werden.

Alpha-Liponsäure hat einen günstigen Einfluss auf die Pathogenese und Progression der diabetischen Nephropathie. In einer Studie an 84 Diabetikern (54 Typ-1-, 30 Typ-2-Diabetiker) führte die Substitution von 600 mg a-Liponsäure über einen Zeitraum von 18 Mona­ten (600 mg/Tag, p.o., Zeitraum: 18 Monaten) zu einer signifikanten Verbesserung der Nierenfunktion gegenüber Plazebo. Während im Verlauf der Studie in der Plazebo-Gruppe die Thrombomodulin-Plasmakonzentration und die Albumin-Konzentration im Urin anstiegen, sank in der Verum-Gruppe das Plasma-Thrombomodulin signifikant und die renale Albumin-Exkretion blieb, als Zeichen einer verbesserten Nierenfunktion, unverändert.

Zur Prophylaxe diabetischer Neuro- und Polyneuropathien werden 200 bis 600 mg a-Liponsäure/Tag (p.o.) empfohlen. In der frühen Therapie sollten anfangs Kurzinfusionen von 600 mg a-Liponsäure mehrmals wöchentlich (besser: täglich) über 7-14 Tage gegeben werden. Im Anschluß wird eine tägliche orale Zufuhr von 600 bis 1200 mg a-Liponsäure empfohlen (Einnahmeabstand: > 30 min. vor der Mahlzeit).

Arteriosklerose, Katarakt, Krebs, Leberer­krankungen (Virushepatitis, alkoholische Fettleber, Leberzirrhose, Knollenblätterpilz­vergiftungen) und Schwermetallvergiftun­gen.
In seltenen Fällen können GIT-Störungen und allergische Hautreaktionen auftreten. Die blutzuckersenkende Wirkung von Insulin bzw. oralen Antidiabetika kann verstärkt wer­den, so daß zur Vermeidung von Unterzucke-rungserscheinungen unter Umständen eine Dosisanpassung erfolgen muss. a-Liponsäure kann zu einem Wirkungsverlust von Cisplatin führen. Augrund der komplexierenden Ei­genschaften sollte a-Liponsäure nicht zu­sammen mit Zink, Kupfer, Eisen oder Ma­gnesium gegeben werden (Einnahmeab­stand!). Alkohol kann die Wirksamkeit der a-Liponsäure abschwächen. Bei ausgeprägten Vitamin Bj-Mangelzuständen (z.B. Alkoho­lische Polyneuropathie) sollte a-Liponsäure nicht hochdosiert und nur zusammen mit Vi­tamin B, substitutiert werden.
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