Vitamin K (Phyllochinone/Menachinon/Menadion)
Physiologische Bedeutung
Vitamin K (K = Koagulation) ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe von Substanzen, die sogenannten Phyllochinone, die als gemeinsames chemisches Grundgerüst eine Naphthochinonstruktur besitzen:
Phyllochinon (Vitamin K,)
Menachinon (Vitamin K2)
Menadion (Vitamin K3).
Vitamin K1 kommt in grünen Pflanzen vor, Vitamin K2 wird von Darmbakterien gebildet. Das synthetisch hergestellte Vitamin K3 hat seine praktische Bedeutung verloren, da es im Rahmen der Vitamin K-Prophylaxe bei Neugeborenen zu schweren Hämolysen führte.
Vitamin K ist für die Neubildung der Blutgerinnungsfaktoren II (Prothrombin), VII, IX und X sowie der Gerinnungsinhibitoren Protein C und seinen Cofaktor Protein S in der Leber essenziell. Dabei wirkt es als Coenzym bei der y-Carboxylierung der Vorstufen der Gerinnungsfaktoren. Erst die so entstandenen y-Carboxyglutamyl-Verbindungen sind gerinnungswirksam und können in Anwesenheit von Calciumionen an Phospholipidmembra-nen gebunden werden. Durch eine erhöhte Vitamin K-Zufuhr kann aber die Blutgerinnung nicht so gesteigert werden, dass bei gesunden Personen Thrombosen auftreten würden.
Darüber hinaus ist Vitamin K auch an der y-Carboxylierung anderer Proteine, wie z. B. des Osteocalcins (BGP) und des Matrix-Gla-Proteins (MGP) beteiligt. Osteocalcin macht den größten Anteil der Nicht-Kollagenproteine der organischen Knochematrix aus. Dieses y-Carboxylglutamat-haltige Knochenprotein wird in den Osteoblasten gebildet und kommt vor allem in schnell wachsenden Knochenabschnitten vor. Es übernimmt eine wichtige Funktion im Skelettstoffwechsel beim Calciumeinbau in den Knochen und gilt als spezifischer Marker der Osteoblastenfünktion, da es ausschließlich von diesen synthetisiert wird. Über 80% des Osteocalcins wird nach Freisetzung aus den Osteoblasten in die Knochenmatrix eingebaut. Vitamin K scheint zudem die renale Calciumexkretion zu verringern. Bei Patienten mit Osteoporose finden sich häufig erniedrigte Vitamin-K-Spiegel im Serum.
Das Vitamin K-abhängige Protein MGP ist als Bestandteil der Blutgefäße für die Aufrechterhaltung der Gefäßintegrität von Bedeutung. Vitamin K-Mangel beeinträchtigt nicht nur die Knochenmineralisation, sondern scheint auch die Bildung atherosklerotischer Ablagerungen zu begünstigen. Transgene Mäuse mit MGP-Defekt versterben innerhalb kürzester Zeit an massiver Aortenverkalkung und Arterienruptur. In einer Studie an postmenopausalen Frauen korrelierte die Schwere atherosklerotischer Verkalkungen signifikant mit erniedrigtem Vitamin K-Spiegel und niedriger Knochendichte.
Aufgrund der Strukturähnlichkeit zwischen Vitamin E und Vitamin K werden der reduzierten Form von Vitamin K antioxidative Eigenschaften zugeschrieben. In einem in vitro Model wirkte reduziertes Menadion als kettenbrechendes Antioxidans und reduzierte gleichzeitig den oc-Tocopherol-Verbrauch.
Weiterführende Informationen zum Vitamin K
Der Vitamin K-Bedarf ist nicht genau bekannt, zumal ein geringer Teil auch durch Darmbakterien gebildet wird. Die D-A-CH-Referenzwerte empfehlen für Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 60 bis 80 pg Vitamin K (siehe Tab. 3.15). Von einigen Ernährungswissenschaftlern wird der tatsächliche Vitamin K-Tagesbedarf auf 100 bis 400 pg geschätzt.
Vitamin K wird im proximalen Dünndarm durch aktiven Transport resorbiert. Wie bei allen fettlöslichen Vitaminen ist eine ausreichende Produktion von Gallensäuren und Pankreasenzymen für die Vitamin K-Resorption erforderlich.
Vitamin K-Gehalt ausgewählter Nahrungsmittel
Nahrungsmittel Vitamin K-Gehalt (pg/100 g)
Rosenkohl 275
Spinat 335
Blumenkohl 167 Rinderleber 74,5 Hühnerei 47,5
Ursachen für Mangel/erhöhten Bedarf
Alkoholismus:
Chronischer Alkoholkonsum kann zu schweren Leberschädigungen führen.
Alter, Neugeborene (unzureichender Vitamin K-Transport durch die Plazenta), Arzneimittel:
Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon, Warfarin).
Antiepileptika:
Erhöhtes Risiko für neonatale Hämorrhagien bei Neugeborenen von Müttern, die in der Schwangerschaft Antiepileptika eingenommen haben. Breitspektrum-Antibiotika können die Darmflora zerstören und die intestinale Vitamin K-Produktion beeinträchtigen. Cephalosporine beeinträchtigen durch Hemmung der Epoxidreduktase den Vitamin-K-Zyklus und führen zu Verwertungsstörungen. Hohe Salicylatdosen hemmen die Epoxidreduktase und die NADH-abhängige Vitamin K-Reduktase. Paraffinöl, Tuberkulostatika, Colestyramin, Orlistat.
Ernährung: wenig grünes Gemüse (Spniat, Brokkoli), totale parenterale Ernährung (TPN)
MaldigestionAabsorption:
Erkrankungen der Galle (Cholangitis), der Leber, des Pankreas (Pankreasinsuffizienz), Mukoviszidose, Steatorrhoe.
Unzureichende Bildung bzw. Carboxylie-rung der Faktoren II, VII, IX, X, Protein C und S sowie des Osteocalcins Hämostasestörungen: Erhöhte Blutungsneigung (Spontanblutungen), Verlängerung der Thromboplastinzeit (Quickwert)
Knochen: Störungen des Knochenauf-baus, erhöhtes Osteoporose- und Frakturrisiko.
Neugeborene: Hirnblutungen 11 Durchfall, Appetitverlust
Prophylaxe von Blutgerinnungsstörungen bei Neugeborenen
Vitamin K-Mangel mit der Gefahr schwerer Hirnblutungen besteht vor allen Dingen bei Neugeborenen, da Vitamin K kaum plazentagängig ist und Muttermilch nur geringe Mengen Vitamin K enthält. Die Aktivität Vitamin K-abhängiger Blutgerinnungsfaktoren ist zudem beim Neugeborenen im Vergleich zum Erwachsenen nur schwach ausgeprägt. Neugeborene erhalten deshalb prophylaktisch 1 mg Vitamin K, i.m. oder 1-2 mg oral. Es gibt Hinweise darauf, dass intramuskulär appliziertes Vitamin K das Krebsrisiko bei Kindern erhöht, daher wird im Allgemeinen die orale Gabe von 2 mg Vitamin Kj für alle Neugeborenen am ersten Lebenstag empfohlen. Weitere Vitamin-K-Gaben von jeweils 2 mg sollten am Ende der ersten Lebenswoche und am Ende des ersten Lebensmonats erfolgen!
Osteoporose
Bei Osteoporosepatienten wurde eine verminderte Carboxylierung von Osteocalcin beobachtet. Ebenso wurde ein Zusammenhang zwischen einer niedrigen alimentären Vitamin K-Aufnahme, der Knochendichte und einem erhöhten Risiko für Oberschenkelhalsfrakturen festgestellt. Die Auswertung der Daten von 72327 Frauen im Alter von 38 bis 63 Jahren im Rahmen der Nurses' Health Study zeigen, dass eine moderate bis hohe Vitamin K-Zufuhr durch den häufigen Verzehr von grünem Gemüse (z. B. Spinat, Brokkoli) das Risiko für Oberschenkelhalsfrakturen signifikant reduziert. Frauen, die 109 bis 604 pg Vitamin K pro Tag aufnahmen hatten ein um 30% niedrigeres Frakturrisiko als diejenigen Frauen, die täglich nur 41 bis 108 pg Vitamin K aufnahmen. Aufgrund seiner Bedeutung für die Knochenmineralisation sollte in der Prophylaxe und Therapie der Osteoporose auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K (80-200 pg/d) geachtet werden. Insbesondere Frauen in der Postmenopause scheinen von einer zusätzlichen Vitamin K-Gabe zu profitieren.
Überdosierung von Antikoagulantien
In hoher Dosierung wird Vitamin K als Antidot bei Überdosierungen und Vergiftungen von Cumarin-Derivaten (z.B. Phenprocou-mon) eingesetzt. Bei mittelschweren Blutungen werden 5-10 mg Vitamin K, oral, bei kritischen Blutungen 10 mg Vitamin K, parenteral appliziert.
Vitamin K-Mangelblutungen
Bei leichteren Vitamin K-Mangelblutungen werden 1-5 mg Vitamin K, oral gegeben.
Weitere Anwendungsgebiete
Fettmalabsorption (z. B. Mukoviszidose), Schwangere die Antiepileptika oder Tuberku-lostatika einnehmen
Bei oraler Applikation sind für Vitamin K keine Nebenwirkungen bekannt. In hohen Dosen gegeben, kann Vitamin K beim Neugeborenen aufgrund der noch unzureichenden Glucuronyl-Transferase-Aktivität der Leber eine Hämolyse verursachen. Dadurch kann Bilirubin nur noch unzureichend an Glucuronsäure gebunden und ausgeschieden werden (Hyperbilirubinämie). Nach parenteraler Gabe bei Neugeborenen wird eine erhöhtes Krebsrisiko diskutiert.
Wechselwirkungen und Gegenanzeigen
ASS, Antiepileptika, Cephalosporine, Salicy-late und Tuberkulostatika können die Vitamin K-Wirkung vermindern. Bei Einnahme von Antiepileptika oder Tuberkulostatika in der Schwangerschaft besteht ein erhöhtes Risiko für Vitamin K-Mangelblutungen beim Neugeborenen.
Unter der Therapie mit oralen Antikoagulantien wie Phenprocoumon und Warfarin sollte auf eine gleichzeitige Gabe von Vitamin K verzichtet werden, da die Kontrolle des Quick-Wertes und die Einstellung der Blutgerinnungszeit beeinträchtigt werden kann.