Biotin (Vitamin H) im eubiopur Vitalstoff-Ratgeber
Physiologische Bedeutung
Biotin, auch als Vitamin H bezeichnet, gehört zur Gruppe der wasserlöslichen B-Vitamine. Es ist Coenzym bei Carboxylierungsreaktionen, in deren Verlauf Biotin ATP-abhängig carboxyliert wird und als Carboxylierungsmittel fungiert. In seiner aktiven Form ist Biotin kovalent an Enzymproteine gebunden (prosthetische Gruppe). Im menschlichen Organismus sind vier biotinabhängige Carboxylasen bekannt:
Acetyl-CoA-Carboxylase (Startreaktion bei der Fettsäurebiosynthese) Pyruvatcarboxylase (Schlüsselenzym der Gluconeogenese)
Propionyl-CoA-Carboxylase (Glucose-produktion und Energieversorgung) Methylcrotonyl-CoA-Carboxylase (Abbau der verzweigtkettigen Aminosäure Leucin).
Biotin ist somit an einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen im Intermediärstoffwechsel, wie der Gluconeogenese (Neubildung von Glucose aus Nicht-Zuckern, z. B. Aminosäuren), der Synthese langkettiger ungesättigter Fettsäuren und dem Aminosäurestoffwechsel beteiligt. Carboxybiotinhaltige Enzyme spielen eine wichtige Rolle für die De-novo-Synthese von DNA- und RNA-Mo-lekülen. Daneben wird Biotin auch für die Proliferation der T-Zellen und die Antikörperproduktion benötigt.
Weiterführende Informationen zu Biotin (Vitamin H)
Der genaue Biotinbedarf ist nur schwierig festzulegen, da der Organismus in der Lage ist, Biotin endogen mit Hilfe von Darmbakterien zu bilden. Die Schätzwerte der D-ACH liegen für Erwachsene zwischen 30 und 60 pg Biotin pro Tag.
Das in der Nahrung enthaltene Biotin ist überwiegend als Biocytin an Proteine gebunden und muss daraus durch das Enzym Bioti-nidase mittels Hydrolyse freigesetzt werden, um im Gastrointestinaltrakt resorbiert werden zu können. Die Resorption erfolgt hauptsächlich im proximalen Dünndarm. Biotin findet sich in vielen Nahrungsmitteln, jedoch häufig nur in sehr geringen Mengen (siehe Tab. ).
Biotinmangel ist beim Menschen relativ selten, da Biotin in zahlreichen Nahrungsmitteln enthalten ist. Mangelerscheinungen können vor allem dann auftreten, wenn die enterale Biosynthese und Resorption beeinträchtigt werden, durch:
Alkoholismus
Arzneimittel:
Antibiotika und Chemotherapeutika schädigen die Darmflora und beeinträchtigen so die Resorption. Antiepileptika, wie z. B. Phenobarbital, Primidon und Carbamazepin hemmen die Biotinaufnahme und steigern die renale Ausscheidung. Resorptionsstörungen Biotinidasemangel, Darmresektion, Kurz-darmsyndrom, Achlorhydrie, Defekt der Holocarboxylase-Synthetase Diabetes mellitus
Ernährung:
Rohes Hühnereiweiß enthält das basische Protein Avidin (Biotin-Antagonist), das Biotin komplexiert und biologisch unwirksam macht. An einer Gruppe Freiwilliger konnte durch die Zufuhr von rohem Eiklar ein künstlicher Biotinmangel hervorgerufen werden. Der Mangel führte zu verstärkter Hautschuppung, Haarausfall, leichter Depression, Muskelschmerzen, massiver Erschöpfung, Parästhesien und Anstieg des Serumcholesterins.
Länger andauernde parenterale Ernährung kann zu Biotinmangel führen.
Schwangerschaft und Stillzeit.
Mangelsymptome
Haut/Haare
Seborrhoische Dermatitis (v.a. bei Säuglingen und Kleinkindern), Haarausfall. Übelkeit und Durchfall 3-Hydroxy-Isovaleriansäure: Erhöhte renale Exkretion Fettstoffwechselstörungen Erhöhte Cholesterinspiegel
Neurologische Störungen Depressionen, Panikzustände Biotinidasemangel bei Kindern Schuppung der Haut, Haarausfall, Konjunktivitis, mentale Retardierung, Krampfanfälle, Gedeihstörungen Plötzlicher Kindstod
Möglicherweise gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Syndrom des plötzlichen Kindstods und einem Biotinmangel. Die Leber der untersuchten Säuglinge wies deutlich geringere Biotingehalte auf als die von Gleichaltrigen mit bekannter Todesursache. Immunschwäche, Anämie.
Bei Patienten mit angeborenem Biotinidasemangel (autosomal-rezessive Vererbung) werden Störungen im Ketonkörperstoffwechsel, Konjunktivitis, Krampfanfälle, Muskelschmerzen, Dermatitis und Alopezie beobachtet. Die Therapie erfolgt durch lebenslängliche orale Applikation von 5 bis 10 mg Biotin pro Tag.
Diabetes mellitus
Die Leber übernimmt eine zentrale Funktion bei der Kontrolle der Glucosespiegel. Biotin verbessert die Insulinsensitivität und erhöht die Aktivität des Enzyms Glucokinase in der Leber. Die Glucokinase hat die Aufgabe Glucose-6-phosphat für die Bildung von Glykogen, der Speicherform von Glucose, zu liefern und stellt damit die Glu-coseversorgung des Gehirns und der Muskulatur sicher.
Es wird angenommen, dass bei Diabetikern eine Beeinträchtigung des biotinabhängigen Enzyms Pyruvatcarboxylase und die damit einhergehende Anreicherung von Pyruvat eine pathogenetische Rolle bei der Entwicklung peripherer Neuropathien spielt. Pyruvat wird durch die thiaminabhängige Pyruvatdehydrogenase und durch die biotinabhängige Pyruvatcarboxylase abgebaut. In einer Studie an insulinpflichtigen Diabetikern führte die tägliche Gabe von 16 mg Biotin zu einer deutlichen Senkung der Nüchternblutzuckerspiegel im Vergleich zu Plazebo. Die Symptomatik peripherer Neuropathien wie Parästhesien und schmerzhafte Muskelkrämpfe wird durch Biotin verbessert. Zur Vorbeugung und Therapie diabetischer Neuropathien werden bei Diabetikern täglich 5 bis 15 mg Biotin (oral oder i.m.) empfohlen.
Haarausfall und brüchige Fingernägel
Biotin fördert die Einlagerung schwefelhaltiger Aminosäuren in Haarwurzelzellen und erhöht den Anteil der Keratin-Matrix-Protei-ne. Zur Therapie werden 2,5 bis 5 mg Biotin pro Tag (Zeitraum: > 6 Monate) empfohlen, am besten in Kombination mit anderen, für das Haarwachstum wichtigen Nährstoffen wie Zink (15 bis 25 mg/Tag), Vitamin B6 (50 bis 100 mg) und schwefelhaltigen Aminosäuren wie Methionin und Cystein.
Defekt der Holocarboxylase-Synthetase
Diese seltene hereditäre biotinabhängige Enzymopathie wird mit 10 bis 30 mg Biotin/Tag behandelt.
Seborrhoische Dermatitis
Die seborrhoische Dermatitis ist eine chronische Hauterkrankung, die sich durch einen erythematösen, schuppenden und juckenden Ausschlag manifestiert. Besonders betroffen sind die talgdrüsenreichen Körperstellen wie Gesicht, Rücken, Kopfhaut und Brust. Bei leichter Ausprägung treten vor allem verstärkte Hautschuppung, Haarausfall und brüchige Fingernägel auf. Zur Therapie ausgeprägter Formen werden 10 bis 20 mg Biotin oral pro Tag eingesetzt. Biotinmangel der Mutter wird als mögliche Ursache der seborrhoischen Dermatitis bei Brust- und Kleinkindern diskutiert. Eine prophylaktische Substitution mit Biotin in der Schwangerschaft und Stillzeit wäre demnach empfehlenswert.
Weitere Anwendungsgebiete
Parenterale Ernährung, Epilepsie, psychische Störungen.
Nebenwirkungen sind selbst bei langandauernder Anwendung von Dosierungen über 60 mg nicht beobachtet worden.